
Wie ich es aus meiner Quarterlife-Crisis geschafft habe
Unsere Autorin hat sich in ihren 20ern lange Zeit verloren gefühlt. Sie erzählt von ihrer Quarterlife-Crisis und davon, wie sie ihre Unsicherheit und Planlosigkeit überwinden konnte.
Mitte 20, mit den Füßen so halb im Leben – und gleichzeitig ohne Plan, wohin es später mal gehen soll. So habe ich mich vor einem Jahr gefühlt. Egal wohin ich geschaut habe: Jede:r in meinem Umfeld hatte eine Vorstellung, was sie oder er mit ihrem oder seinem Leben machen will – außer mir. Die einen Friends machten ihr Staatsexamen, manche waren mitten im Berufseinstieg, andere auf Weltreise. Und ein paar Leute, mit denen ich Abi gemacht habe, waren sogar schon dabei, zu heiraten oder gar Kinder zu bekommen. Jede:r hatte auf ihre oder seine Art etwas vorzuweisen. Ich hingegen: mitten im Master meines Soziologiestudiums, nebenbei am Jobben, kaum Zeit für etwas anderes als arbeiten und lernen – und vor allem: ohne richtiges Ziel.

Wie soll es nach meiner Masterarbeit weitergehen?
Diese Orientierungslosigkeit gepaart mit dem Gefühl, meinen Altersgenoss:innen ein weites Stück hinterher zu sein, haben mich, gelinde gesagt, in den Wahnsinn getrieben. Wenn ich nicht gerade wie im Autopilotmodus, durch den mir sinnlos erscheinenden Alltag gesteuert bin, war ich am Grübeln. Ich machte mich klein für mein „Hinterhersein“ und bekam Panik: Wo soll ich in fünf Jahren sein, wenn ich jetzt nicht die Kurve bekomme und herausfinde, wer ich bin, was ich kann – und was ich von meinem Leben will? Durch einen Zufall bin ich beim Doomscrolling auf ein Reel einer Creatorin gestoßen, die von ihrer Quarterlife-Crisis erzählte – und da hat es Klick gemacht: Ich stecke in einer Quarterlife-Crisis! Doch im Gegensatz zur „Midlife-Crisis“, in der manche sich ein Rennrad oder, wenn das Konto es erlaubt, einen Sportwagen anschaffen, drückte sich meine Quarterlife-Crisis durch viel Frust, Orientierungslosigkeit, Unsicherheit und in der Überlegung aus, in welche Großstadt ich als Nächstes ziehen könnte. Doch zu wissen, dass ich gar nicht hinterherhinke und andere dieses Problem auch haben, war erleichternd. Ich habe realisiert: Mit mir ist gar nichts falsch. Diese Erkenntnis war der erste Schritt zur Besserung. So richtig habe ich es aber dann aus der Quarterlife-Crisis durch diese drei Hilfsmittel geschafft:
Hilfsmittel Nr. 1: radikale Akzeptanz und Selbstfürsorge
Zu realisieren, dass nicht ich das Problem bin, war für mich der erste Schritt zur Besserung. Statt mich ständig für meine Orientierungslosigkeit herunterzumachen, habe ich angefangen, meine Situation besser zu verstehen und zu akzeptieren: Ja, es fühlt sich nicht gut an, in seinen 20ern keine Orientierung zu haben. Aber das Gefühl geht nicht weg, wenn ich mich jeden Tag aufs Neue abwerte. Im Gegenteil: Es nimmt mir sogar die Motivation, etwas an meiner Situation zu ändern. Ich habe akzeptiert, dass ich planlos in meinem Studium und Minijob schwebe, während andere wirklich krasse Dinge tun. Das in der Theorie zu verstehen, ist das eine. Es dann im Alltag wirklich umzusetzen, natürlich ein Stückchen schwieriger. Man ändert Gedankenmuster ja nicht von einem Tag auf den nächsten. Akzeptanz und Selbstfürsorge muss man lernen und üben – Tag für Tag. Mir haben dabei Achtsamkeits- und Meditationsübungen der App TK-Coach geholfen. Ich ging plötzlich viel aufmerksamer durch den Alltag. Wenn negative Gedankenmuster aufgetreten sind, habe ich mich nicht von ihnen mitreißen lassen. Ich konnte stattdessen die Kontrolle über meine Gedanken übernehmen und mich darauf konzentrieren, wohlwollender über meine Situation nachzudenken. Mit der Zeit ist das zur Gewohnheit geworden.
Hilfsmittel Nr. 2: das Leben in die Hand nehmen
Selbstakzeptanz und Selbstfürsorge allein ändern erst mal nicht viel an der Quarterlife-Crisis. Sie machen es aber einfacher, die Situation anzupacken, und machen Mut, neue Sachen auszuprobieren. Wer sich akzeptiert, so wie er ist, verurteilt sich nicht so hart, wenn etwas mal nicht klappt. Dieses Selbstvertrauen macht es leichter, die Komfortzone zu verlassen – was der beste Weg ist, sich kennenzulernen und zu wachsen. Ich wollte zum Beispiel immer schreiben, habe mich aber nicht getraut, weil ich nicht an meine Fähigkeiten geglaubt habe. Dann habe ich einfach beschlossen: Who cares – ich kann es ja mal ausprobieren. Also habe ich losgelegt: wieder geschrieben, meine Texte mit Leuten geteilt – und positives Feedback bekommen. Ich habe mich bei einer ausländischen Redaktion für ein Praktikum beworben und wurde – trotz all meiner Zweifel – zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. So konnte ich mir beweisen: Hey, es gibt Dinge, die ich gut kann! Und diese Fähigkeiten und Stärken geben inmitten der Planlosigkeit doch ein bisschen Orientierung.
Hilfsmittel Nr. 3: Grenzen setzen
Neben dem Anpacken musste ich aber auch lernen, Grenzen zu setzen. Ich hatte viel zu viele Gewohnheiten, die mich davon abgehalten haben, mein volles Potenzial auszuschöpfen. Dazu gehörten meine hohe Bildschirmzeit oder mein ungesunder Schlafrhythmus. Es war Zeit, Ordnung in mein Leben zu bringen – denn nur so habe ich auch die Energie und die Kapazitäten, meine neu entdeckten Ziele zu realisieren. Grenzen musste ich aber nicht nur in meinem persönlichen Alltag setzen. Um mehr Zeit fürs Schreiben und für kreative Projekte zu haben, belegte ich an der Uni weniger Kurse als sonst. Dafür musste ich ein Semester länger studieren und jobben. Ein positiver Nebeneffekt war jedoch, dass die Planlosigkeit, was ich nach dem Studium machen möchte, deutlich einfacher zu ertragen war. Ich hatte noch ein weiteres Semester Zeit, darüber nachzudenken.
Aktuell bin ich im letzten Semester meines Studiums. Ich habe zwar immer noch keinen genauen Plan, wie es nach dem Studium weitergeht. Dafür habe ich aber ein paar Ideen. Sorgen um die Zukunft mache ich mir aktuell keine. Auch wenn so viel Unklarheit herrscht, bin ich mit meinem Leben zufrieden. Arbeit und Studium laufen, und die Zeit mit meinen Freund:innen und die neuen Hobbys geben meinem stressigen Alltag einen Sinn.