Verantwortung in der Klimakrise: Ein Pingpong-Spiel?
Die Folgen der Klimakrise sind bereits jetzt spürbar. Besonders Länder des globalen Südens haben mit weitreichenden Veränderungen zu kämpfen. Extreme Wetterereignisse ließen sich allerdings schon heute in Regionen auf der ganzen Welt beobachten, berichtet das Intergovernmental Panel on Climate Change, kurz IPCC. Doch, so lässt der Expert*innenrat in dem letzten Bericht ebenfalls verlauten, es gibt noch Hoffnung: Die Folgen der Krise können durch die Reduktion von Treibhausgasen zumindest abgemildert werden. Aber nur dann, wenn sich schnell etwas verändert – in allen Bereichen.
Stellt sich also die Frage: Wer trägt die Verantwortung für dieses schnelle Handeln? Politiker*innen, weil sie Gesetze beschließen und erlassen können? Unternehmen, weil sie wichtiges Kapital für Innovation besitzen und viel Potenzial für die Reduzierung von Treibhausgasen haben? Oder doch jeder und jede Einzelne, weil Veränderung eben irgendwo anfangen muss und im Kleinen häufig schneller umgesetzt werden kann?
Du und ich, wir gegen die Krise?
„Know your carbon footprint“: Im Rahmen einer PR-Kampagne aus dem Jahr 2004 launchte der Ölkonzern bp einen – beziehungsweise den ersten – CO2-Rechner, mit dem Menschen ihren individuellen Emissionsverbrauch errechnen konnten. Diese Aktion wird häufig als eine Art Startpunkt für den Appell an individuelle Verantwortung gesehen. Jede*r Einzelne kann etwas tun und individuell Emissionen reduzieren. Aber auch 20 Jahre später wird heute, nicht nur in der Werbung, an Einzelpersonen appelliert. Ist das gerechtfertigt?
Zumindest ist es ebenso auf politischer Ebene kein ganz neues Narrativ: Für Ministerien sei es einfacher, „die Verantwortung an die einzelnen Verbraucher als Appell abzugeben, anstatt sich in schwierige Aushandlungsprozesse mit mächtigen Konzernen zu begeben“, erklärt Anita Engels, Professorin für Soziologie, in einem Essay.
Aber so ganz fein raus sind auch wir als Einzelpersonen nicht. „Was ich mir von den Menschen wünsche, ist Engagement. Die Bereitschaft der Politik, sich für Klimaschutz stark zu engagieren, hängt auch davon ab, wie die Stimmung in der Gesellschaft ist“, erklärt Umweltwissenschaftler Michael Kopatz. Es gehe ihm um den Druck, den die Gesellschaft also auf die Politik ausübt, zum Beispiel in Form von Protest.
Gesellschaftliche Normen können sich ändern – dafür ist Druck aus der Gesellschaft notwendig. © Markus Spikse
Wenn die Minderheit zur Mehrheit wird
Dieser Druck kann mitunter Wirkung erzielen: Auch jede*r Einzelne kann etwas bewirken. Gesellschaftliche Normen können sich ändern und tun das auch ständig. Veränderung kann durch politische Beschlüsse angestoßen werden, aber ebenso gut durch die Bevölkerung selbst: Die Menge an Menschen, die es braucht, um eine Veränderung anzustoßen, wird in der Soziologie „kritische Masse“ genannt. In Bezug auf das Klima also der Prozentsatz an Menschen, der zum Beispiel kein Fleisch mehr isst, der nur noch Fahrrad und kein Auto mehr fährt. Die Antwort auf die Frage, wie groß diese kritische Masse sein muss, fällt je nach Studie und Disziplin unterschiedlich aus. Doch das Prinzip schenkt Hoffnung: Das eigene Handeln kann selbst dann etwas bewegen, wenn es aktuell nur dem Handeln einer Minderheit entspricht.
Noch positiver ausgedrückt: Wir sollen die Macht, die wir als Konsument*innen haben, nicht unterschätzen. Konsumentscheidungen sind Botschaften in die eine oder andere Richtung. Und durch Käufe – und genauso Nicht-Käufe – setzen wir diese Botschaften im Alltag um.
In einer Befragung der Bertelsmann Stiftung unter Nachhaltigkeitsverantwortlichen von Unternehmen geben knapp 80 Prozent der Befragten an, dass das Thema Nachhaltigkeit in ihrem Betrieb von außen, eben zum Beispiel durch Geschäftskund*innen, forciert wird. Und dieser Druck scheint zumindest in Teilen zu wirken: In derselben Befragung erklären über 80 Prozent der Befragten, dass Dekarbonisierung und die Vermeidung von Emissionen wesentliche Themen im eigenen Unternehmen sind. Dass diese Themen immer wichtiger werden, zeigen auch Zusammenschlüsse von Unternehmen wie zum Beispiel innerhalb des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft e. V. Der Verband setzt sich für eine nachhaltige Transformation der Wirtschaft ein; gleichzeitig fordert er politische Rahmenbedingungen, die diese Art des Wirtschaftens ermöglichen. Auch die befragten Unternehmen der Bertelsmann-Studie berichten, dass politische Regulierungen eine große Rolle spielen: 70 Prozent der Befragten sagen, dass die Politik ein wichtiger „Nachhaltigkeitstreiber“ ist.
Das sieht auch Umweltwissenschaftler Michael Kopatz so: Der Druck der Zivilbevölkerung auf Unternehmen reiche nicht aus. „Es ist wichtig, dass die Politik die Standards verändert, die dann für alle Unternehmen gelten“, erklärt Kopatz. Diese Standards würden so an die Zivilbevölkerung weitergetragen.
Fest steht: Das Hin- und Herschieben von Verantwortung hilft am Ende niemandem. Am wenigsten dem Klima und denen, die am Ende unter dem Klimawandel leiden – also uns allen. Jede*r für sich und besonders wir alle zusammen können etwas dafür tun, um ihm entgegenzuwirken
Und was denkst Du?
Glaubst du, dass die kleinen, alltäglichen Aktionen jedes und jeder Einzelnen hilfreich sind, um den Klimawandel zu bekämpfen? Wir wollen wissen, wie du zu diesem und weiteren Themen stehst, die für unsere Zukunft entscheidend sind. Anlässlich des 50. Jubiläums lädt dm dich zum Dialog ein: Mach mit bei „Und was denkst Du?“ und teile uns innerhalb der Umfrage mit, wie du dir deine eigene und unsere gemeinsame Zukunft vorstellst.
Eine Woche Zukunft
dm feiert in diesem Jahr unter dem Motto „Lust auf Zukunft“ 50-jähriges Jubiläum und bringt auf der Zukunftswoche vom 25. bis zum 29. September namhafte Repräsentantinnen und Repräsentanten aus Politik, Wissenschaft, Gesellschaft, Medien und Kultur miteinander in den Dialog. Im Vordergrund stehen dabei die fünf Zukunftsthemen: Das Ich im Wir, Ökologische Zukunftsfähigkeit, Kinder und Jugendliche, Neue Arbeitswelten und Gesundheit. Für diese Themen engagiert sich dm gemeinsam mit Partnern wie Persil und Finish.
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