Faires Gehalt

Wie führt man eine gute Gehaltsverhandlung ohne Stress?

Frauen verdienen noch immer 6 Prozent weniger bei gleicher Tätigkeit und Qualifikation. Es ist Zeit für eine neue Verhandlung der Situation. Warum ein Gehaltstraining helfen kann – und zu mehr Gerechtigkeit führt.

Dieses Gefühl, kurz vorm Gehaltsgespräch: eher stressig als tief entspannt. Verlange ich zu viel? Sind meine Argumente gut genug? Und wie schaffe ich eine Gesprächssituation, in der ich mich sicher fühle, ein Gespräch, das auf Augenhöhe geführt wird?

Gehaltsgespräche sind für viele Menschen eine Herausforderung. Dabei muss das gar nicht sein. Ljubow Chaikevitch hat mit Frau Verhandelt nicht nur eine Community aufgebaut, sondern auch ein Gehaltstraining entwickelt, das insbesondere Frauen dabei helfen soll, endlich das Gehalt zu bekommen, das ihnen zusteht. Im Interview verrät sie ihre Strategie für eine gelungene Verhandlung.

Liebe Ljubow, Frauen verdienen weniger als Männer, bei gleicher Arbeit – das ist schon länger bekannt. Warum wächst dieser Gap trotzdem so langsam zu?

Beim Gender Pay Gap müssen wir unterscheiden zwischen dem unbereinigten Gender Pay Gap, der 2020 bei 18 Prozent lag, und dem bereinigten Gender Pay Gap. Der bereinigte Gender Pay Gap berücksichtigt Faktoren, die für den hohen unbereinigten Gender Pay Gap verantwortlich sind, zum Beispiel, dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten, seltener Führungspositionen besetzen, oder in Berufen arbeiten, die generell schlechter bezahlt werden. Der bereinigte Gender Pay Gap beschreibt die Differenz bei gleicher Tätigkeit und gleicher Qualifikation. Im Jahr 2020 waren das 6 Prozent: Frauen haben in der gleichen Tätigkeit bei gleicher Qualifikation durchschnittlich sechs Prozent weniger Gehalt bekommen. Da müssen wir unbedingt gegensteuern. Einer der Wege, wie das gelingen kann, ist, dass Frauen häufiger für sich einstehen – und verhandeln.

FrauVerhandelt
(Bild: Nina Wellstein)

 

Mit Frau Verhandelt bietest du genau dafür eine Anlaufstelle. Wusstest du schon immer, wie man gut verhandelt?

Nein! Denn als Studentin habe ich nicht einmal gewusst, dass Gehälter oder Honorare überhaupt verhandelbar sind. Dabei habe ich eigentlich ein Fach studiert, in dem so etwas behandelt werden müsste: Wirtschaftswissenschaften mit Fokus auf Personal. Erst als ich meine Masterarbeit bei einem großen Konzern geschrieben habe, habe ich zwischen Tür und Angel mitbekommen, dass Gehälter und Honorare verhandelt werden können. Mit diesem Wissen bin ich dann in ganz unterschiedliche berufliche Bereiche gegangen und habe verhandelt: Von der freien Wirtschaft, über Anlehnung an den öffentlichen Dienst bis hin zur Selbstständigkeit.

Jetzt hast du dich selbstständig und das Thema zu deinem Beruf gemacht. Wie kam es dazu?

Unabhängig vom jeweiligen Job habe ich es meistens geschafft, erfolgreich zu verhandeln. Das habe ich meinen Freundinnen erzählt und sie auch dazu ermutigt. Irgendwann wurden dann die Rückfragen von ihnen konkreter und sie haben mich gefragt, ob ich ihnen nicht helfen könne – und es hat auch bei ihnen geklappt. Dann habe ich festgestellt, dass es vielleicht auch anderen Frauen helfen könnte, dass da Unterstützung gebraucht wird. So ist die Idee zu Frau Verhandelt entstanden. Dafür habe ich mich auch coachen lassen und immer wieder Verhandlungsgespräche gesucht und geführt.

Das heißt Verhandeln ist auch Übungssache?

Auf jeden Fall! Mittlerweile habe ich über 800 Frauen dabei unterstützt, erfolgreich zu verhandeln. Dabei ist mir aufgefallen, dass eine gute Verhandlungsvorbereitung eigentlich immer einem Schema folgt, das man in fünf Schritte einteilen kann, eine Art Erfolgsformel. Im ersten Schritt sollte der eigene Marktwert erarbeitet werden. Im zweiten Schritt geht es um die eigene Einstellung zum Thema, also um das eigene Mindset. Im dritten Schritt sollten wir die eigenen Stärken und Erfolge ausarbeiten. Dann geht es im vierten Schritt um eine detaillierte und akribische Vorbereitung.

Wie sieht denn so eine akribische Vorbereitung aus?

Ich muss mir alles ganz genau überlegen und mögliche Verläufe durchdenken. Was sind meine ganz konkreten Verhandlungsziele? Welche Zahl will ich? Was ist mein Plan B? Wer ist mein Gegenüber? Wie gehe ich mit sogenannten Totschlagargumenten um, also Erwiderungen, die ich scheinbar nicht widerlegen kann? Zu guter Letzt, im fünften Schritt, wird alles in einen Gesprächsleitfaden zusammengefasst und geübt.

EventTK

Wie kannst du deine Finanzen stressfrei organisieren?

Die Techniker mit ZEIT Campus haben darauf Antworten gefunden. Beim Live-Talk mit den Expertinnen und Experten sprach Daniel Erk, freier Journalist und Moderator von ZEIT ONLINE, mit Ljubow Chaikevitch, Verhandlungsexpertin und Gründerin sowie Geschäftsführerin von FRAU VERHANDELT,  Oliver Noelting, Frugalist, Blogger und Softwareentwickler, und Dr. Anna Terschüren, Mitgründerin von LazyInvestors, rund um das Thema Finanzen während und nach dem Studium. Hier kommt ihr zur Aufzeichnung des Panels.

Aus Verhandlungsgesprächen gehen oft Menschen mit Erfolg heraus, die extrovertiert sind: Sie können leichter für ihre Forderungen einstehen, widersprechen und Kontra geben. Wie können auch Introvertierte in diesen Gesprächen sicherer werden?

In meiner Community beobachte ich täglich, dass auch introvertierte Frauen in Verhandlungsgesprächen erfolgreich sein können und sind, indem sie ihre Verhandlung ordentlich vorbereiten und dadurch Win-Win-Situationen schaffen. Es gibt häufig diesen Irrglauben, dass man bei Verhandlungen die Ellenbögen rausholen müsse und ich glaube, das macht vielen introvertierten Menschen zu schaffen. Aber aus meiner Sicht ist eine Verhandlung erst dann erfolgreich, wenn beide Parteien das Gefühl haben, voneinander zu profitieren. Wenn beide Parteien für sich verstehen: Es lohnt sich, in die jeweils andere Seite zu investieren.

Das ist ja oft das Problem: Viele fühlen sich unsicher, introvertiert oder extrovertiert, wenn es darum geht, sich so zu verkaufen, dass genau dieses Potenzial einer Win-Win-Situation erkannt wird.

Deswegen braucht es eine detaillierte und konkrete Vorbereitung, die jeder Person Sicherheit gibt. Wenn sich jemand unsicher fühlt, dann ist ein Verhandlungstraining genau das Richtige. Denn man sollte das Gehaltsgespräch unter der Annahme üben, dass das Gegenüber kritisch ist. So bereitet man auch schwierige Situationen vor und fühlt sich selbstbewusster und ruhiger.

Besonders für viele Berufseinsteiger:innen oder Berufsanfänger:innen ist es aber sehr schwierig, überhaupt ein Gespür dafür zu bekommen, welches Gehalt angemessen ist, also den Marktwert zu erkennen. Wie findet man das heraus? 

Jeden Monat höre ich Geschichten so vieler Frauen, die beim Gehalt viel zu gering eingestiegen sind. Einmal habe ich miterlebt, wie eine Frau die Hälfte des eingeplanten Budgets veranschlagt hat. Meine Empfehlung ist, verschiedene Online-Quellen zu nutzen, dafür gibt es ganz viele Portale, und die abzugleichen. Auf der anderen Seite kann ich prüfen: Gibt es in dem Unternehmen einen Tarif? Welchen? Wo werde ich eingestuft? Welche Zusatzleistungen sind möglich? Aber meine wichtigste Empfehlung ist, sich ein „Gehaltsvorbild“ zu suchen.

Was ist damit gemeint?

„Gehaltsvorbilder“ nenne ich Menschen aus deiner Branche, die erfolgreich sind, die schon einen Schritt weiter sind. Und die Person fragst du nach einem angemessenen Gehalt für deine Position, mit deiner Erfahrung. Dieses Wissen kann auch dabei helfen, Totschlagargumente zu widerlegen. Denn ich bin der festen Überzeugung, dass man auf Totschlagargumente auch etwas erwidern kann und sollte. Zum Beispiel Rückfragen stellen, Stellung beziehen oder sich positionieren mit Argumenten, die wieder eine Win-Win-Situation bieten. Und alle Abmachungen schriftlich festhalten – das ist meine Empfehlung.

Liebe Ljubow, danke für das Gespräch!

Wie kannst du deine Finanzen stressfrei organisieren?

Wenn du mehr über das Thema erfahren willst, dann kommt jetzt noch eine Empfehlung: Im Talk, moderiert von Daniel Erk, freier Journalist und Moderator von ZEIT ONLINE sprechen Ljubow Chaikevitch und weitere spannende Gäst:innen wie Oliver Noelting, Frugalist, Blogger und Softwareentwickler und Dr. Anna Terschüren, Mitgründerin von LazyInvestors darüber, wie Finanzen stressfrei organisiert werden können. Hier kommst du zur Aufzeichnung des Talks. Noch viele weitere Informationen findest du im Schwerpunkt #howitworks auf ZEIT Campus

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