Mental Load

Zwischen Engagement und Erschöpfung. Wie passe ich gut auf mich auf?

 

Das Leben kann ganz schön überwältigend sein. Laura Malina Seiler gibt im Interview Tipps, damit aus Überwältigung keine Überforderung wird.

Jung zu sein – in der heutigen Zeit, in dieser Gesellschaft – das ist schon fast ein Versprechen: Wir sind so viele, wir können die Welt zu einem besseren Ort machen. Jung zu sein – heute, hier – heißt für viele aber auch: Wir sollten die Welt retten, sonst ist sie bald nicht mehr da. Viele junge Menschen sind sich den potenziellen Katastrophen der aktuellen Zeit bewusst. Und ganz nebenbei, zwischen Pandemie und Klimawandel, werden sie erwachsen. Sie gehen studieren, starten den ersten Job, verlieben sich, knutschen rum, trennen sich wieder. Ziehen in eine neue Stadt, verreisen zum ersten Mal allein. Sind öfter und länger auf sich gestellt und sehen das – im besten Falle – als emanzipatorischen Akt. Endlich erwachsen. Da ist Freiheit und die Macht der eigenen Entscheidungen. Da ist aber auch Angst.

Eine internationale Studie mit 10.000 Befragten, alle zwischen 16 und 25 Jahre alt, hat gezeigt, dass 60 Prozent von ihnen Zukunftsängste haben. Dieser Trend wird auch von der „Jugend und Corona“-Studie der Universität Hildesheim bestätigt. Ein Ergebnis dieser Erhebung war auch: Junge Menschen fühlen sich einsam. Etwa ein Drittel der Befragten gaben das an.

Wer die Studien jetzt mit seinem eigenen Leben abgleicht, wird wahrscheinlich nicht überrascht sein. Denn ja, die Lebensphase zwischen 20 und 30 Jahren ist für viele gar nicht so leicht. Neben den Herausforderungen unserer Zeit treiben sie große persönliche Fragen um: Ist der Beruf wirklich der richtige? Tut Liebeskummer immer so weh? Warum vermisse ich meine Eltern und meinen Heimatort so sehr?

Der Quarterlife-Crisis entgegenwirken: Wie kann ich gut auf mich aufpassen?

All das kann zu psychischen Belastungen führen und sich vielfältig äußern. Plötzlich fühlen sich die einfachsten Entscheidungen nach unlösbaren Aufgabe an. Wir fühlen uns schnell gereizt und überfordert. Unsicherheit und Pessimismus wechseln sich ab, manchmal stellen wir sogar den kompletten Lebensentwurf infrage. Hallo Quarterlife-Crisis. Und jetzt?

Das haben wir Laura Malina Seiler gefragt. Sie ist Visionärin, Coach und Autorin. Sie findet, jede Person sollte sich über das eigene individuelle Potenzial bewusst werden. In ihren Bestseller-Büchern gibt sie Handlungsempfehlungen, wie das gelingen kann. Wir haben sie gefragt, wie man gut auf sich selbst aufpassen kann – und trotzdem alles im Leben mitnimmt, was man mitnehmen will.

Viele junge Menschen wollen Verantwortung übernehmen und engagieren sich. Sie kämpfen für eine gerechtere Welt. Das kostet Energie und kann zu Erschöpfung führen. Wie kann ich Verantwortung übernehmen und trotzdem auf mich selbst aufpassen?

Laura: „Wir können immer nur so viel geben, wie wir Energie zur Verfügung haben. Deswegen geht es darum, eine Balance zu finden, zwischen einerseits einem Loslegen, um den Planeten ein Stück besser zu machen, und andererseits einem Zurückhalten, um auch auf sich selbst auszupassen. Viele meinen, Selbstliebe sei etwas Egoistisches. Dabei ist es das Wichtigste überhaupt, gut auf sich selbst zu achten und sich nicht aufzugeben. Denn damit ist am Ende niemandem geholfen. Vielmehr profitieren wir alle davon, wenn es dir gut geht, du gesund bist und dir Räume in deinem Leben schaffst, in denen du auftanken kannst.“ 

Laura Malina Seiler

Laura Malina Seiler

Oft ist es gar nicht so leicht, in einer Krise wieder zu sich selbst zu finden. Laura Malina Seiler hilft Menschen, wieder bei sich selbst anzukommen. Foto: Farina Deutschmann

In unserer heutigen Zeit sind wir ständig unter Dauerbeschallung. Viele von uns können sich ein Leben ohne Social Media kaum vorstellen: Hier informieren wir uns, bilden uns weiter, bekommen alles mit oder finden Zerstreuung. Muss ich mich dem entziehen, um Ruhe zu finden?

Laura: „Du könntest dich fragen: Möchte ich in meinem Leben jemand sein, der konsumiert, zum Beispiel Inhalte in den sozialen Netzwerken, oder möchte ich selbst etwas produzieren und erschaffen? Das ist eine der wichtigsten Fragen, die wir uns stellen können. Möchtest du proaktiv dein eigenes Leben erschaffen? Dann vergeude deine Zeit nicht mit endlosem Runterscrollen, sondern nutze deine Zeit, um dein Unternehmen aufzubauen, um ein Buch zu schreiben oder etwas Neues zu lernen. Stell dir vor, du nimmst dir jeden Morgen ein Jahr lang zehn Minuten, die du normalerweise auf Instagram scrollst, und lernst in dieser Zeit eine neue Sprache. Du wirst verblüfft sein, was das ändert. Nimm dir am besten morgens und abends kurz nach dem Aufwachen und vor dem Einschlafen Zeit für dich. Leg das Handy konsequent weg oder nimm es gar nicht erst mit ins Schlafzimmer.“  

Die Quarterlife-Crisis ist längst kein Randphänomen mehr. Eine im August 2020 durchgeführte Studie unter 20- bis 35-jährigen fand heraus, dass 47 Prozent der Befragten bereits selbst von einer Quarterlife-Crisis betroffen waren – also fast jede zweite befragte Person. Wie kann ich vorsorgen, damit ich nicht selbst in die Krise rutsche?

Laura: „Krise muss nicht unbedingt etwas Schlechtes sein, denn oft zwingt sie uns genau hinzusehen, ob wir wirklich das Leben leben, das wir uns wünschen, oder ob wir irgendwo falsch abgebogen sind. Deswegen würde ich allen, die gerade in einer solchen Krise stecken, raten, sich Zeit zu nehmen. Und sich selbst Raum zu geben, um zu schauen, was sie wirklich möchten und sich wünschen. Im Idealfall machen wir einen solchen Check- In mit uns selbst regelmäßig und folgen unserem Bauchgefühl.“ 

Viele meinen, Selbstliebe sei etwas Egoistisches. Dabei ist es das Wichtigste überhaupt.
Laura Malina Seiler

Viele merken jedoch erst, dass etwas im Argen ist, wenn sie selbst bereits mittendrin stecken. Wie finde ich jetzt einen Weg hinaus? 

Laura: „Der erste Schritt ist immer die liebevolle Annahme. Sich also nicht dafür abzuwerten, sondern zu sagen: ‚Okay, es ist jetzt wie es ist, es geht mir nicht gut. Aber ich werde alles daransetzen, dass es mir bald wieder besser geht.‘ Dann hilft es, sich Hilfe zu holen in Form von Therapie oder Coaching. Wir alle tragen unsere Päckchen mit uns herum und es ist sehr befreiend, jemanden an der Seite zu haben, der einem dabei hilft, durch das Leben zu manövrieren.“ 

 Zum Schluss wollen wir noch einmal konkret werden: Welche Routinen kann ich in meinen Alltag einfließen lassen, um gut für mich zu sorgen? 

Laura: „Die wertvollste Routine in meinem Leben ist die Meditation. Dieser tägliche Check-In mit mir selbst hilft mir sehr, innere Ruhe zu finden und zu schauen, wie es mir geht und welche Bedürfnisse ich vielleicht gerade habe. Ich nehme mir in meiner Meditation auch immer Zeit für Dankbarkeit und fülle mich innerlich mit guten Gefühlen auf. Das ist der beste Start für einen guten Tag.“

 

Wo will ich in meinem Leben hin?

Wenn du mehr über das Thema erfahren willst, dann kommt jetzt noch eine Empfehlung: Am 26. Oktober 2021 stellt die Online-Veranstaltung von ZEIT Campus und Die Techniker die Frage: Wo will ich in meinem Leben hin?

Einen Tag lang gibt es ganz verschiedene Impulse von Expert:innen zu der Frage, wie du den Durchblick behältst und auch in der Krise dein Leben in die Hand nimmst. Mit im Programm ist auch ein Live-Talk – und Laura Malina Seiler ist auch hier dabei. Moderiert wird der Talk von Amna Franzke, Mitglied der Chefredaktion von ZEIT Campus. Und es gibt weitere spannende Gäste: Elisabeth Hahnke, Mitgründerin und Co-Geschäftsführerin von ROCK YOUR LIFE!,und Simon Schnetzer, Jugendforscher und Futurist. Hier geht’s zur Anmeldung und zu mehr Informationen. Noch viele weitere Informationen findest du im Schwerpunkt #howitworks auf ZEIT Campus

 

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